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Dave Gahan Dave Gahan: Killing Ziggy Stardust (Spex, 2003)

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Dave Gahan: Killing Ziggy Stardust
[Spex, Juni 2003. Text: Felix Bayer. Foto: Anton Corbijn.]
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Als ich Depeche Mode zultezt sah, trug Dave Gahan gedecktes Jackette und Halstuch. Der Mann, der zur Cartoonfigur geworden war, mit seinem ewigen »Oh Yeaaah«, Leder und Tätowierungen, dem »Dave Dancing«, mit seinem Wusch, Rockgigant ein einer Electropopband zu sein, mit der Überdosis, der Todesnähe – dieser Mann sah plötzlich aus wie ein englischer Landedelmann um die 40. Es stand ihm prächtig. Das war de Moment, an dem ich keine Angst mehr hatte vor einer Soloplatte von Dave Gahan.

Um darüber zu sprechen, hat Dave Gahan eine Cartoofigur-light-Anmutung gewählt: Das ärmellose schwarze T-Shirt gibt den Blick frei auf die Tattoos, aber der Mann signalisiert totale Entspanntheit – die Beine über die Sessellehne geschwungen, Zigarillo im Mund. Der Dave gibt eben seit 20 Jahren Interviews, der Dave ist aber auch offensichtlich total stolz auf seine eigene Platte. Bei den Aufnahmen zu Depeche Modes 2001er Album »Exciter« spielte er Martin Gore ein paar seiner Songs vor. Reaktion: »Hmmm, ganz gut.«

Gahan: »Ich wollte wohl, dass er sagt »Wow! Großartig! Lass sie uns aufnehmen!« Aber das passierte nicht, und ich drängte mich auch nicht auf.« Also schrieb er mit Partner Knox Chandler an den Songs; nahm sie auf mit Sigur Rós-Produzent Ken Thomas.

Herausgekommen ist ein Album, das nicht die Welt erschütten wird. Manchmal klingt »Paper Monsters« allzu sehr nach einem Rockstar-Eitkelkeitsprojekt, komprimierte Gitarren mit Bleep- und Streichergarnierung und, tata, der Herr Star spielt selbst die wilde Mundharmonika. Aber all das klingt nicht eklig, höchstens etwas unoriginell. Dave Gahan singt ganz hervorragend auf dem Album, schanrrend zu den angeblusten Songs, aber auch unglaublich sanft und wirklich wunderschön auf den ruhigeren Tracks – dass es davon so viele gibt, und dass es die besten Stücke auf der Platte sind, ist wohl die eigentliche Überraschung, »auf einer Depeche Mode-Platte würde die wohl Martin singen«.

Seine unterschiedlichen Seiten habe er ausdrücken woollen, sagt Gahan. »Bei Depeche Mode habe ich über die Jahre einen Charakter geschaffen, in dem ich lebte. Bloß nahm ich diesen Charakter irgendwann auch mit in mein Leben außerhalb der Band. Und in der Band kam ich mir immer mehr wie ein Hochstapler vor.« Diese Rockikonen-Presönlichkeit vergleicht Gahan mit David Bowies »Ziggy Stardust«, eine seiner liebsten Platten. »Er schuf diese Figur, um Ideen ausdrücken zu können, für die er als er selbst nicht ehrlich genug seine konnte.« Bowie musste seinen Ziggy Stardust irgendwann töten – war Gahans Überdosis vielleicht etwas Ähnliches? »Ich glaube ja. Den Betrug auffliegen lassen, sozusagen. Ich musste das tun, um zu überleben.«Paradoxerweise.

Heute geht es Dave Gahan gut, er will im Leben mitfahren wie in einer Achterbahn, »alles okay, ich bin angeschnallt.« Er will dass seine Platte »sich gut anfühlt in einer Welt, die uns sagen will, dass wir uns nicht gut führen sollen.« Seine Ablehnung des Irak-Krieges begründet er biographisch: »Ich glaube, jeder Krieg ist verkehrt, es gibt immer einem besseren Weg. Und ich habe weiß Gott meinen eigenen Krieg gekämpft. Ich fand heraus, dass es eine friedlich Lösung gibt – aber sie braucht eben viel Zeit.«

Tja, was soll man halten von all dem? Therapietalk? Psychogebabbel eines Rockstars? Zumindest strahlt Dave Gahan Aufrichtigkeit aus, eine ziemlich entwaffnende sogar. We weiß, wie es weitergeht? Die Cartoonfigur Dave-der-Depeche-Sänger hat Dave Gahan durchschaut, er kann sie jetzt ablegen und aussehen wie ein Edelmann, oder er kann mit der Figur spielen. Doch er dem Bekenntis-Rockstar wird.

»Paper Monsters« von Dave Gahan erscheint am 02. Juni via Mute / EMI.
 
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