Depeche Mode - A Question Of Time (Musikexpress, 2005) | dmremix.pro

Depeche Mode A Question Of Time (Musikexpress, 2005)

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A Question Of Time
[Musikexpress, Februar 2005. Text: Friederike Baus / Thomas Weiland. Fotos: Mannigfaltig.]
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Seit einem Vierteljahrhundert retten Dave Gahan, Martin Gore und Andy Fletcher den Synthie-Pop. Die Geschichte von Depeche Mode im Überblick.

Jeder kannte jeden, nur ein Typ war weniger bekannt. Er mixte bei einer Probe von The French Look in der Woodlands-Schule den Sound – ein magerer Ex-Punk namens Dave Gahan. Auf ihn wurde Vince Clarke eines Tages aufmerksam (…): ‚Der ist in Ordnung, vielleicht sollten wir ihn in die Band aufnehmen.’ Gaham sang niemals für Composition Of Sound zur Probe, er konnte einfach mitmachen, falls er Lust dazu hatte. Clarke lud ihn ein, sich die Band bei einem Auftritt in Scamps, Southend, einmal anzusehen, wo die School Bullies, eine der Gruppen von Perry Balmonte, als Headliner spielten. (…) Fletch zupfte den Bass, Martin spielte Keyboard, Vince bediente die Gitarre und sang. Gahan beobachtete die Band bei diesem Gig (…) Bei einer anderen Gelegenheit spielte Composition Of Sound im Vorprogramm von The French Look in der St.-Nicholas-Gesamtschule. Gore zog sich ein anderes Hemd an und spielte dann auch bei The French Look mit. Dies war auch der allererste Auftritt des neuen Sängers von Composition Of Sound, Dave Gahan. (…) Dave hatte seine sämtlichen Freunde aus Southend mitgebracht. Daryl Balmonte beschreibt den Gig als „gelungenen Abend” (…) ‚Plötzlich waren in der Aula unter all den jungen Schülern aus Basildon 30 bis 40 ausgeflippte New Romantics. Da wurde Vince klar, dass er mit Dave eine gute Wahl getroffen hatte.’ So beschreibt Steve Malins in seiner Biografie „Depeche Mode” (Hannibal Verlag) die Gründung der bekanntesten Synthie-Pop-Band der vergangenen 25 Jahre. Depeche Mode waren geboren.

Ihre Geschichte beginnt in Basildon, Essex, einer Stadt, die durch die Industrie bei gleichzeitig hoher Arbeitslosigkeit geprägt ist. Wer dort lebt, hat drei Möglichkeiten, sein Leben zu gestalten. Entweder man ist einer von vielen Arbeitern der ortsansässigen Fabriken, erwerbslos oder besucht als Kind eine der wenigen Schulen. Zum Beispiel die Nicholas Comprehensive School. Vince Clarke (geboren am 3. Juli 1961 in Basildon), Andy Fletcher (geboren am 8. Juli 1960 in Nottingham)[1] und Martin Gore (geboren am 23. Juli 1961 in Basildon) sind in derselben Jahrgangsstufe. Clarke und Fletcher singen im Kirchenchor und musizieren zusammen in der Band No Romance In China. Gore spielt Gitarre in den Bands Norman And The Worms und French Look und fangt an, erste Songs zu schreiben. Im Mai 1980 gründen Gore, Fletcher und Clarke das Trio Composition Of Sound. In dem Studenten Dave Gahan (geboren am 9. Mai 1962 in Epping) finden sie den Sänger, der ihnen bisher fehlte.

Auf den Vorschlag Dave Gahans nennt sich die Band in Depeche Mode um – nach einem französischen Modemagazin. Die Musiker legen ihre Gitarren beiseite und spezialisieren sich auf Synthesizer, den damals angesagtesten Klangerzeuger. Erste Auftritte in den Jugendclubs und Schulen der Stadt folgen. Dave Gahan verbringt seine Tage mit dem Vorspielen von Demoaufnahmen bei Plattenfirmen – jedoch ohne Erfolg. Martin Gore arbeitet bei einer Bank. Andy Fletcher ist Angestellter einer Versicherung, Vince Clarke verdient sich als Fahrer etwas Geld dazu. Im Dezember wird Daniel Miller, Gründer des Independent-Labels Mute, bei einem Auftritt im The Bridgehouse in Canning Town, auf die vier aufmerksam, die im Vorprogramm von Frank Tovey alias Fad Gadget spielen. Miller finanziert die Aufnahmen eines Albums. Er erinnert sich: „Ich glaube, es war erst einige Wochen oder höchstens ein paar Monate her (seit dem ersten Treffen mit Clarke und Gahan im Rough-Trade-Shop); dann spielte Fad Gadget unten im The Bridgehouse in Canning Town und Terry Murphy, der Typ, der das Bridgehouse dafür gebucht hatte, engagierte Depeche Mode als Vorgruppe. Bisher hatte ich allerdings eins und eins noch nicht zusammengezählt. Nun, auf jeden Fall kam so die Verbindung zu Fad Gadget und ich hörte Depeche (Mode) zum ersten Mal. Ich ging hinter die Bühne und sagte: ‚Lasst uns eine Single rausbringen’ und sie antworteten: ‚Okay, alles klar.’” Nach drei erfolgreichen Singles - „Dreaming Of Me” (Platz 57), „New Life” (Platz 11) und „Just Can’t Get Enough” (Platz 8) – erscheint im Oktober 1981 das Debütalbum Speak And Spell. Die Band gilt schon bald als einer der wichtigsten Acts der aufgehenden „New Romantic”-Bewegung und entwickelt sich zur Vorzeige-Teenieband mit Anzug und Krawatte. Vince Clarke, der Hauptsongwriter, gibt im Dezember seinen Ausstieg bekannt. Clarke kommt mit dem schnellen Ruhm der Band nicht zurecht: „Es ging f:ur uns alle sehr, sehr schnell. Jeder vons un hatte zu der Zeit sein eigenes ausgeprägtes Ego, und im Van zu sitzen war unertr:aglich, wirklich – für jeden einzelnen. Wir waren auch untereinander unertr:aglich – kein bisschen Geduld. Ich meine, wir waren so unglaublich jung, und es stieg uns einfach zu Kopf.” Er gr:undet später zusammen mit Alison Moyet das Duo Yazoo.

Martin Gore, der bereits auf Speak And Spell seine texterischen Fähligkeiten bewies, wird neuer Songschreiber. Per Anziege im „Melody Maker” findet sich im Januar 1982 in Alan Wilder [2] (geboren am 1. Juni 1959 in London) ein neuer vierter Mann. Trotzdem tritt die Band weiterhin als Trio auf. Im Oktober erscheint das zweite Album A Broken Frame. Wilder wird nun offizielles Mitglied der Band. Das dritte Album Construction Time Again, das mit Unterst:utzung des Samplespezialisten Gareth Jones aufgenommen wird, erscheint im Herbst 1983. Mit ihm kommt es zur optischen Veränderung der vier. Die Band hat inzwischen ihr Schweigersohn-Image abgelegt, die vier präsentieren sich in schwarzer Lederkleidung und untermauern damit die extreme Veränderung. Some Great Reward, aufgenommen in den Berliner Hansa Studios, kommt als viertes Depeche-Mode-Album im Oktober 1984 auf den Markt. Gores Vorliebe für exzentrische Outfits, zum Beispiel schwarze, lange Lederröcke, polarisiert die Fans und führt zu Gerüchten über seine angebliche Homo- oder Bisexualität.

Im Herbst 1985 gründet Vince Clarke zusammen mit Andy Bell das Duo Erasure. Nach einem Jahr Album-Pause (mit Ausnahme der Compilation The Singles 81-85) veröffentlichen Depeche Mode im März 1986 Black Celebration. Das Video zur Single „A Question Of Time” wird von Anton Corbijn in den USA gedreht. Die Bande hatte schon lange eine Zusammenarbeit mit Corbijn geplant, wurde aber zunächst von ihm zurück gewiesen. Grund dafür war ihr Image als Teenieband. „A Question Of Time” gefällt ihm allerdings so gut, dass er sich zur Zusammenarbeit überreden lässt. Bis heute ist Corbijn Depeche Modes persönlicher Fotograf und Videoregisseur, außerdem designt er die Bühnenbilder.

[1] - Nein: Vince Clarke geboren am 3. Juli 1960, und Andy Fletcher geboren am 8. Juli 1961.
[2] - Nein, im Dezember 1981.
 

demoderus

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Der Durchbruch in den USA gelingt der Band im Jahr 1987 mit Music For The Masses. Im „Rose Bowl” in Pasadena, Kalifornien, beenden Depeche Mode am 18. Juni 1988 vor 75.000 Zuschauern ihre Welttournee. In der ersten Hälfte der neunziger Jahre erscheinen nur zwei Depeche-Mode-Alben: Violator (1990) und Songs Of Faith And Devotion (1993). Die anschließende „Devotional Tour” endet 1994 nach 14 Monaten und 174 Konzerten als Debakel. Die Musiker befinden sich am Rande der physischen und psychischen Erschöpfung. Immer mehr kriselt es zwischen den vier Mitgliedern, die Nerven liegen blank. Ende Mai 1995 wird offiziell bekannt gegeben, dass Alan Wilder nach 13 Jahren Depeche Mode verlässt. Grund seines Ausstiegs sei seine tiefe Frustration mit dem Umgang der Bandmitglieder untereinander. In einer Presseerklärung sagt er: „Wegen der wachsenden Unzufriedenheit mit den internen Verhältnissen und der Arbeitsweise der Gruppe habe ich mich schweren Herzens dazu entschlossen, mich von Depeche Mode zu trennen (…).”

Wenige Wochen später findet die Polizei Dave Gahan nach einem Selbstmordversuch in seiner Hotelsuite im „Sunset Marquis” in Los Angeles. Der Sänger hatte sich die Pulsadern aufgeschnitten. Am 28. Mai 1996 nimmt Gahan am selben Ort eine Überdosis Heroin. Er ist zwei Minuten lang klinisch tot. Gleich nach seinem Krankenhausaufenthalt wird er festgenommen und wegen Drogenbesitzes angeklagt. Er begibt sich anschließend freiwillig in eine Entzugsklinik. Aus seiner Verurteilung zieht Gahan Konsequenzen. Er zieht nach New York und nimmt dort Gesangsunterricht, um die Aufnahmen am kommenden Album zu beenden.

Am 14. April 1997 erscheint das neue album Ultra. Es erreicht Platz eins der englischen, schwedischen, spanischen und deutschen, Platz f;unf der amerikanischen Album-Charts und verkauft sich weltweit über vier Millionen Mal. Im August 1998 wird das Tribute-Album For The Masses veröffentlicht. Darauf covern Bands wie die Smashing Pumpkins, The Cure, Monster Magnet, Apollo Four Forty und Rammstein die Songs der Synthie-Popper. Am 28. September des Jahres kommte mit dem Doppelalbum The Singles 86-98 die Forsetzung der Singles-Collection auf den Markt. Auf ihrer „Singles-Tour” spielen Depeche Mode in 56 Städten, 64 Konzerte von mehr als 800.000 Zuschauern. Exciter, das zehnte Studioalbum von Depeche Mode, erscheint am 14. Mai 2001. Die auf sechs Monate angesetzte „Exciter”-Welttournee beginnte im Sommer 2001 mit einem Auftritt in Montreal, Kanad,

Im Frühjahr 2003 veröffentlichen Gore (Counterfeit2) und Gahan (Paper Monsters) kurz hintereinander ihr Soloalben. Für Martin Gore ist es nach 15 Jahren bereits das Zweite, nach Counterfeit. Gahan, der durch sein Soloalbum neues Selbstbewusstsein gewonnen hat, macht seinem Ärger Luft. Er ist unzufrieden mit seiner Stellung in der Band. In Interviews erweist er sich als äußerst empfindlich und beklagt immer häufiger, dass er sich als Marionette Martin Gores fühlt. Seine Interview-Aussagen führen zu Trennungsgerüchten, die aber nach einigen Wochen wieder verstummen.

Am 25. Oktober 2004 veröffentlichen Depeche Mode das Album Remixes 81-04, das auf Platz zwei der deutschen Album-Charts einsteigt. Mitte Januar 2005 geht die Band mit dem Produzenten Ben Hillier, der unter anderem schon mit U2, Blur und Suede gearbeitet hat, ins Studio, um den Nachfolger des Exciter-Albums aufzunehmen.

MASTER AND SERVANT
Depeche Mode und die Folgen

In den Achtzigern waren es zuerst Synthie-Pop-Adepten wie Alphaville, Boytronic und Camouflage, denen man große Nähe zur Band aus Basildon anhörte. Ein Jahrzehnt später machten Wolfsheim und De/Vision damit weiter und fügten eine düstere Note hinzu. Auf dem Tribute-Sampler For The Masses (1998) lieferten ausgerechnet Rammstein die beste Interpretation ab („Stripped”). Auch in der hiesigen Clubwelt weiß man Depeche Mode zu schätzen. Timo Maas hat sogar zwei Sampler mit dem Titel Music For The Maases im Programm. Die meisten Bewunderer von Depeche Mode unter Musikern fanden sich erstauntlicherweise immer in den USA. Den Anfang machten Mitte der Achtziger Underground-Produzenten in Detroit. Sie entwickelten (u. a.) aus dem Sound der Engländer eine minimale und monotone Tanzmusik: Techno. Aber auch Rocker mit Vorliebe für die härtere Gangart hatten eine Faible. Was die europäischen Bands Nitzer Ebb und Front 242 mit ihrer Electronic Body Music anfingen, setzten Nine Inch Nails mit Pretty Hate Machine fort. Trent Reznors früheres Protegé Marilyn Manson hatte bereits Songs von den Eurhythmics und Soft Cell gecovert, da waren Depeche Mode nicht mehr weit. Auch bei den Deftones und Korn hört man in jüngerer Zeit DM-Einflüsse heraus. Inzwischen sind es nicht nur Sounds, sondern ganze Songstrukturen, die Musikern als Vorlage dienen. Fischerspooner und Moutn Sims, zwei bekanntere Electroclash-Vertreter, machen aus ihren Vorbildern keinen Hehl. Der Zufall will es, das die Stimme Todd Baechles von The Faint auch noch große Ähnlichkeit mit der Dave Gahans hat. Ladytron haben dieses Problem nicht – bei ihnen singen Damen. Aber sonst findet man auch bei ihnen nicht zu wenige Hinweise auf die Band, die in der elektronischen Popmusik jenen gottleichen Ruf besitz, den die Beatles im gitarrenorientierten Pendant genießen.
 
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