Depeche Mode: Das Ist Demokratie
[Intro, Oktober 2005. Text: Jürgen Dobelmann / Thomas Wenker. Foto: Anton Corbijn.]
Langweilig wird es nie. Mehr als zwei Jahrzehnte funktionerten Depeche Mode als profitable Produktions – und Performance-Unit für die Songs ihres Masterminds Martin L. Gore. Mit dem neuen Album »Playing The Angel« endet die Musikalische Autokratie des 44-Jährigen, der sich letzten Endes dem (öffentlichen) Druck des musisch unterforderten Frontmanns Dave Gahan beugen musste, der sich partout nicht mehr damit zufrieden geben wollte, als charismatischer Intrepret und Entänzer der Gore’schen Kompositionskunst in die Musikgeschichte einzugehen. Das Ende der Ära der Top-Down-Entscheidungen kommentierte der partiell Entmachtete mit einem gefassten »ich hatte zu akzeptieren, dass ich Zugeständnisse machen musste, wenn Depeche Mode als Band weitermachen sollten«, als wir ihn und Keyboarder Andrew Fletcher in der vierten Woche ihrer Promotion-Weltreise – kurz vor Beginn einer zweijährigen Welt-Tournee – im Berliner Hyatt Hotel antrafen.
Dave wurde mut der Aussage zitiert: »Es gibt noch viel zu tun mit Depeche Mode« - auch bezogen auf das Album, zu dem er jetzt erstmals drei Sonfs beigetratragen hat. Wie groß war sein Input also Songwriter – waren es genau die drei Stücke, die letzten Endes auf dem Album sind? Oder hatte er mehr geschrieben?
MG: Nein, es waren who eher fünfzehn Songs. Wir haben unseren Produzenten Ben Hillier mit weitaus mehr Kontroll-Kompetenzen ausgestattet, als wir es sonst anderen Produzenten zugestehen. Es war viel einfacher, ihn entscheiden zu lassen, welche von Daves fünfzehn Songs wir weiter bearbeiten. Ich denke, es ist vilig normal, dass Dave selber Songs schreiben wollte, nachdem er ein Soloalbum veröffentlicht und seine Erfahrungen diesbezüglich gesammelt hatte. Aber ich war nicht der Meinung, dass es nach 25 Jahren okay gewesen ware, wenn er pltzlich f:unfzig Prozent des Albums geschrieben hätte. Wir einigten uns also auf zwei oder drei Songs und ließen Ben die Auswahl treffen.
War es das erste Mal, dass er tatsächlich mit Songs daherkam, die er dir vorspielte? Oder gab es das bereits bei den Platten zuvor, und seine Lieder hatten es einfach nicht auf das Album geschafft?
MG: Während Dave sein »Paper Monsters«-Projekt promotete, sagte er oft, dass er mich als eine Art totalitären Diktator betrachte, der es ihm nie erlaube, seine Ideen einzubringen und seine Songs auf den Alben zu verwenden. In Wirklichkeit passierte es aber nur ein einziges Mal, währendder Aufnahmen zu »Ultra«, dass er mir einen Song vorspielte. Und der bestand nur aus seiner Stimme, ohne jedes Instrument. Er hatte es an einem Strand eingesungen, Tim, der damalige Produzent, und ich waren nicht der Meinung, dass es zu den anderen Songs passte. Und das war das einzige Mal, dass er jemals einen Song anbrachte.
AF: Unglücklicherweise nutzt Dave Interviews manchmal als Therapie-Ersatz. Er lässt dann immer zu viel von dem raus, was ihm auf der Seele brennte. Er erzählt Journalisten auch immer viel, um sein Selbstwertgefühl aufzublasen – dast ist ziemlich offensichtlich. »Wie kommt es den, Dave, dass du nach 22, 23 Jahren plötzlich Songs schreibst? Warum hast du das vorher nicht gemacht?« Seine Antwort war natürlich: »Weil Martin mich nicht gelassen hat.« Das ist völliger Quatsch, weil Dave auch nie den Wunsch geäußert hat, Songs zu schreiben. Aber so ist Dave eben manchmal in Interviews. Er sagt Journalisten, was ihm im Kopf rumschwirrt.
Er hat also vor diesen Interviews nie seine Unzuhfriedenheit euch gegenüber geäußert?
AF: Nein, nein. Ich habe mir das aus den Beobachtungen hergeleitet, wie gut das aktuelle Projekt abgelaufen ist. Und schließlich begreift man dann, wie alles miteinander zusammenhängt.
Wenn schon kein »Diktator«, dann ist Martin bei Depeche Mode sicherlich derjenige, der immer bestimmt hat, wo es musikalisch langgeht. Wie schwer ist es dir gefallen, Martin, zuzulassen, dass andere beim Songwriting mitmischen und es darüber Diskussionen gibt?
MG: Ich hatte zu akzeptieren, dass ich Zugeständnisse machen musste, wenn Depeche Mode als Band weitermachen sollten. Dave ware sehr unbefriedigt gewesen, wenn er nichts zu den Songs auf diesem Album hätte beitragen können.
AF: Aber das ist ja das Gute, wenn man in einer Band ist. Mir haben Solo-Künstler in gewisser Weise immer Leid getan. Man muss alle Entscheidungen treffen, und man ist umgeben von Leuten, die für einen arbeiten. Wir sind aber eine Gruppe, wir können diskutieren. Das Gute bei der Etstehung dieses Albums war, dass wir uns sehr, sehr gut verstanden haben. Die Atmosphäre war fantastisch. Es war eine Demokratie, die perfekt funktionert hat. Vor einigen Jahren, als wir schlechte Zeiten durchmachten, wurde jede Diskussion gleich zum Streit. Jedes Mal, wenn wir ein meeting hatten, war es: »Oh nein, nicht schon weider…« Diesmal war die Atmosphäre super, und ich hoffe, dass man das dem Album anmerkt.
Wie muss man sich das erste Treffen nach Daves PR-Offensive konkret vorstellen? Habt ihr drei euch auf ein Bierchen getroffen und geplaudert?
MG: Wir können uns schlecht »auf ein Bierchen« treffen, weil Dave kein Bier trinkt. [lacht]
Okay. Wie war’s dann?
MG: Wir arrangierten ein Treffen in London, wir waren zufällig alle zur gleichen Zeit dort. Wir diskutierten die groben Pläne, und Dave spielte uns ein paar der Songs vor, die er geschreiben hatte, und ich spielte ihnen meine vor.
AF: Es war uns natürlich klar, was dave wollte. Er war sehr frustriert in den vergangenen zehn Jahren. Am Anfang unserer Karriere war er durchaus bereit, Texte zu singen, die jemand anderes geschreiben hatte. Das ist sehr ungewöhnlich in einer Band. Mir sind nur wenige Beispiele bekannt, wo das so war, z. B. bei The Who oder den frühen Oasis, wo Liam gesungen hat, was Noel schreib. In den letzten Jahren wurde das für Dave aber immer unbefreidigender und dann kam sein Soloalbum… Und das ist ein weiterer Grund, warum die Atmosphäre heute so viel besser ist als frher. Dave hat ganz einfach das Gefühl, mehr involviert zu sein.
Und dan hat Fletcher plötzlich gesagt: Hey Jungs, ich hab hier auch ein paar Stücke, die ich geschreiben habe?
MG: Komischerweise ist das nicht passiert. [lacht] Das heben wir uns für nächste Album auf.
Hattest du Angst, Martin, dass das eines Tages passieren könnte?
MG: Oh, nein. Ich bezweifle sehr stark, dass Andy jemals damit anfangen wird. Songs zu schreiben.
AF: Ich schreibe keine Songs. Ich hatte das Glück, in einer Band zu sein, die zwei der besten britischen Songwriter der der vergangenen 25 Jahre hervorgebracht hat: Vince Clarke und Martin Gore. Und nicht jeder kann Songs schreiben. Man muss auch mit der eigenen Rolle in der Band zufrieden sein. Das ist wichtig. Ich jann keine Songs schreiben. Ich kann über meine Gefühle redden, aber diese Sachen aufzuschreiben und iin einen Song einzubauen, damit es die ganze Welt hören kann, das interessiert mich überhaupt nicht. Null.
[Intro, Oktober 2005. Text: Jürgen Dobelmann / Thomas Wenker. Foto: Anton Corbijn.]
Langweilig wird es nie. Mehr als zwei Jahrzehnte funktionerten Depeche Mode als profitable Produktions – und Performance-Unit für die Songs ihres Masterminds Martin L. Gore. Mit dem neuen Album »Playing The Angel« endet die Musikalische Autokratie des 44-Jährigen, der sich letzten Endes dem (öffentlichen) Druck des musisch unterforderten Frontmanns Dave Gahan beugen musste, der sich partout nicht mehr damit zufrieden geben wollte, als charismatischer Intrepret und Entänzer der Gore’schen Kompositionskunst in die Musikgeschichte einzugehen. Das Ende der Ära der Top-Down-Entscheidungen kommentierte der partiell Entmachtete mit einem gefassten »ich hatte zu akzeptieren, dass ich Zugeständnisse machen musste, wenn Depeche Mode als Band weitermachen sollten«, als wir ihn und Keyboarder Andrew Fletcher in der vierten Woche ihrer Promotion-Weltreise – kurz vor Beginn einer zweijährigen Welt-Tournee – im Berliner Hyatt Hotel antrafen.
Dave wurde mut der Aussage zitiert: »Es gibt noch viel zu tun mit Depeche Mode« - auch bezogen auf das Album, zu dem er jetzt erstmals drei Sonfs beigetratragen hat. Wie groß war sein Input also Songwriter – waren es genau die drei Stücke, die letzten Endes auf dem Album sind? Oder hatte er mehr geschrieben?
MG: Nein, es waren who eher fünfzehn Songs. Wir haben unseren Produzenten Ben Hillier mit weitaus mehr Kontroll-Kompetenzen ausgestattet, als wir es sonst anderen Produzenten zugestehen. Es war viel einfacher, ihn entscheiden zu lassen, welche von Daves fünfzehn Songs wir weiter bearbeiten. Ich denke, es ist vilig normal, dass Dave selber Songs schreiben wollte, nachdem er ein Soloalbum veröffentlicht und seine Erfahrungen diesbezüglich gesammelt hatte. Aber ich war nicht der Meinung, dass es nach 25 Jahren okay gewesen ware, wenn er pltzlich f:unfzig Prozent des Albums geschrieben hätte. Wir einigten uns also auf zwei oder drei Songs und ließen Ben die Auswahl treffen.
War es das erste Mal, dass er tatsächlich mit Songs daherkam, die er dir vorspielte? Oder gab es das bereits bei den Platten zuvor, und seine Lieder hatten es einfach nicht auf das Album geschafft?
MG: Während Dave sein »Paper Monsters«-Projekt promotete, sagte er oft, dass er mich als eine Art totalitären Diktator betrachte, der es ihm nie erlaube, seine Ideen einzubringen und seine Songs auf den Alben zu verwenden. In Wirklichkeit passierte es aber nur ein einziges Mal, währendder Aufnahmen zu »Ultra«, dass er mir einen Song vorspielte. Und der bestand nur aus seiner Stimme, ohne jedes Instrument. Er hatte es an einem Strand eingesungen, Tim, der damalige Produzent, und ich waren nicht der Meinung, dass es zu den anderen Songs passte. Und das war das einzige Mal, dass er jemals einen Song anbrachte.
AF: Unglücklicherweise nutzt Dave Interviews manchmal als Therapie-Ersatz. Er lässt dann immer zu viel von dem raus, was ihm auf der Seele brennte. Er erzählt Journalisten auch immer viel, um sein Selbstwertgefühl aufzublasen – dast ist ziemlich offensichtlich. »Wie kommt es den, Dave, dass du nach 22, 23 Jahren plötzlich Songs schreibst? Warum hast du das vorher nicht gemacht?« Seine Antwort war natürlich: »Weil Martin mich nicht gelassen hat.« Das ist völliger Quatsch, weil Dave auch nie den Wunsch geäußert hat, Songs zu schreiben. Aber so ist Dave eben manchmal in Interviews. Er sagt Journalisten, was ihm im Kopf rumschwirrt.
Er hat also vor diesen Interviews nie seine Unzuhfriedenheit euch gegenüber geäußert?
AF: Nein, nein. Ich habe mir das aus den Beobachtungen hergeleitet, wie gut das aktuelle Projekt abgelaufen ist. Und schließlich begreift man dann, wie alles miteinander zusammenhängt.
Wenn schon kein »Diktator«, dann ist Martin bei Depeche Mode sicherlich derjenige, der immer bestimmt hat, wo es musikalisch langgeht. Wie schwer ist es dir gefallen, Martin, zuzulassen, dass andere beim Songwriting mitmischen und es darüber Diskussionen gibt?
MG: Ich hatte zu akzeptieren, dass ich Zugeständnisse machen musste, wenn Depeche Mode als Band weitermachen sollten. Dave ware sehr unbefriedigt gewesen, wenn er nichts zu den Songs auf diesem Album hätte beitragen können.
AF: Aber das ist ja das Gute, wenn man in einer Band ist. Mir haben Solo-Künstler in gewisser Weise immer Leid getan. Man muss alle Entscheidungen treffen, und man ist umgeben von Leuten, die für einen arbeiten. Wir sind aber eine Gruppe, wir können diskutieren. Das Gute bei der Etstehung dieses Albums war, dass wir uns sehr, sehr gut verstanden haben. Die Atmosphäre war fantastisch. Es war eine Demokratie, die perfekt funktionert hat. Vor einigen Jahren, als wir schlechte Zeiten durchmachten, wurde jede Diskussion gleich zum Streit. Jedes Mal, wenn wir ein meeting hatten, war es: »Oh nein, nicht schon weider…« Diesmal war die Atmosphäre super, und ich hoffe, dass man das dem Album anmerkt.
Wie muss man sich das erste Treffen nach Daves PR-Offensive konkret vorstellen? Habt ihr drei euch auf ein Bierchen getroffen und geplaudert?
MG: Wir können uns schlecht »auf ein Bierchen« treffen, weil Dave kein Bier trinkt. [lacht]
Okay. Wie war’s dann?
MG: Wir arrangierten ein Treffen in London, wir waren zufällig alle zur gleichen Zeit dort. Wir diskutierten die groben Pläne, und Dave spielte uns ein paar der Songs vor, die er geschreiben hatte, und ich spielte ihnen meine vor.
AF: Es war uns natürlich klar, was dave wollte. Er war sehr frustriert in den vergangenen zehn Jahren. Am Anfang unserer Karriere war er durchaus bereit, Texte zu singen, die jemand anderes geschreiben hatte. Das ist sehr ungewöhnlich in einer Band. Mir sind nur wenige Beispiele bekannt, wo das so war, z. B. bei The Who oder den frühen Oasis, wo Liam gesungen hat, was Noel schreib. In den letzten Jahren wurde das für Dave aber immer unbefreidigender und dann kam sein Soloalbum… Und das ist ein weiterer Grund, warum die Atmosphäre heute so viel besser ist als frher. Dave hat ganz einfach das Gefühl, mehr involviert zu sein.
Und dan hat Fletcher plötzlich gesagt: Hey Jungs, ich hab hier auch ein paar Stücke, die ich geschreiben habe?
MG: Komischerweise ist das nicht passiert. [lacht] Das heben wir uns für nächste Album auf.
Hattest du Angst, Martin, dass das eines Tages passieren könnte?
MG: Oh, nein. Ich bezweifle sehr stark, dass Andy jemals damit anfangen wird. Songs zu schreiben.
AF: Ich schreibe keine Songs. Ich hatte das Glück, in einer Band zu sein, die zwei der besten britischen Songwriter der der vergangenen 25 Jahre hervorgebracht hat: Vince Clarke und Martin Gore. Und nicht jeder kann Songs schreiben. Man muss auch mit der eigenen Rolle in der Band zufrieden sein. Das ist wichtig. Ich jann keine Songs schreiben. Ich kann über meine Gefühle redden, aber diese Sachen aufzuschreiben und iin einen Song einzubauen, damit es die ganze Welt hören kann, das interessiert mich überhaupt nicht. Null.