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Depeche Mode Gute Zeiten - Schlechte Zeiten (Musikexpress, 2005)

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Gute Zeiten - Schlechte Zeiten
[Musikexpress, Februar 2005. Text: Albert Koch. Fotos: Ian Hooton.]
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Das war schon eine kleine Sensation, als Depeche Mode Mitte November auf ihrer offiziellen Homepage ankündigten, eine Ankündigung zu machen. Vier Tage nach der Ankündigung der Ankündigung war dort zu lessen: Die Band wird sich Anfang Dezember in Santa Barbara mit ihrem Manager Jonathan Kessler, Mute-Chef Daniel Miller und Produzent Ben Hillier treffen, um Vorgespräche über ein neues Album zu führen, das ab Januar in Miami aufgenommen werden soll.

Eineinhalb Jahre zuvor hatte es Risse in der heilen Bandwelt gegeben, die wilde Spekulationen über das ende von Depeche Mode zur Folge hatten. Damals waren im Abstand von nur wenigen Wochen die Soloalben von Martin Gore (Counterfeit2) und Dave Gahan (Paper Monsters) erschienen. Was ja an sich noch keine so schlimme Sache ist. Nur hatte sich der kommunikationsfreudige Gahan in diversen Interviews zur Promotion seines Albums um Kopf und Kragen geredet, indem er sich selbst zum Band-Underdog stilisierte, der seinen geringen Einfluss auf das Songwriting beklagte, der mehr respektiert, aber nicht bemitleidet werden wollte.

Gahans Vorwürfe richteten sich gegen Martin Gore, den musikalischen Kopf von Depeche Mode, der – was auch mit wenig Interpretationsvermögen zwischen seinen Worten herauszuhören war – sich in der Vergangeheit als kleiner Band-Diktator geriert haben musste. „Manchmal bin ich sehr wütend auf Martin”, sagte Gahan dem Musikexpress, „es ärgert mich, dass er nicht mit mir redet.” Und: „Im Moment weiß ich nicht genau, ob ich bei Depeche Mode unter denselben Bedingungen arbeiten könnte wie vorher. Ich glaube nicht. Man müsste mich anhören und mir das Gefühl geben, dass meine Ideen genauso wichtig sind wie die von Martin.” Dave Gahan schuf mit seinen emotionalen Äußerungen einen medialen Präzendenzfall. Nie zuvor und selten später – der Fall The Libertines sollte erst ein gutes Jahr danach akut werden – wurden Bandinterna dermaßen in der Öffentlichkeit breitgetreten, wurden die Medien dazu missbraucht, eine Frage aufzuwerfen, die zwei (mutmaßlich) erwachsene Menschen besser in einem persönlichen Gespräch hätten ausdiskutieren sollen. Jetzt könnte man sich die Frage stellen, wieso der Sänger einer der größten Bands der Welt, ein Rockstar, ein extrovertier mensch, der permanent im Mittelpunkt steht, einer, der alles gehabt und von allem zu viel gehabt hat, eifersuchtig ist auf einem schuchternen, introvertien Bandkollegen, dem es bei Konzerten unangenehm ist, ins Publikum zu sehen. Wenn die Antwort nicht so einfach wäre: weil der Mensch ein Mensch ist, weil Menschen das Gluck immer woanders suchen.

Martin Gore begegnete Dave Gahans Vorwürfen damals mit der bestmöglichen Reaktion: nämlich überhaupt nicht, was zwar die Spekulationen beendete, aber nicht die Diskussionen darüber, ob Depeche Mode als Band noch existierten. Als Andy Fletcher im März vergangenen Jahres in einem Interview mit dem Musikexpress auf die Gahan-Gore-Problematik angesprochen wurde, reagierte er äußerst diplomatisch: „Hunde, die bellen, beißen nicht. Dave betrachtet Interviews als Therapiestunden. Er hat einmal eine unschöne Sache über mich in einem englischen Magazin gesacht. Am nächsten Tag hat er mich angerufen und sich dafür entschuldigt. Dave ist halt so.” Fletcher räumte aber ein, dass es „mit Sicherheit Probleme” bei der Frage geben werde, wer denn wie viele Songs für das nächste Depeche-Mode-Album schreiben wird.

Aus „gewohnlich gut unterrichteten Kreisen” war dieser Tage zu hören, dass es nicht unbedingt so empfehlenswert sei, die Mitglieder von Depeche Mode mit Fragen zum Verhältnis Gore-Gahan zu belästigen. Und so werden wir erst dann, wenn wir das nächste Depeche-Mode-Album in Händen halten, wissen, wer wie viele Songs darauf geschrieben hat, um mit dieser Information Rückschlüsse darauf ziehen zu können, ob es tatsächlich einen Streit zwischen Gahan und Gore gegeben hat. In der Zwischenzeit trösten wir uns mit dem Satz „Dave ist halt so” und denken darüber nach, ob es möglicherweise noch ein oder auch zwei wichtigere Dinge auf der Welt geben könnte als zwei Englander, die sich in Kalifornien an die Gurgel gehen, weil sie sich nicht darüber einig werden können, wer wie viele Songs für das neue Album ihrer Band schreiben darf.
 
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