Die Tour-Karawane setzte ihren Weg gen Norden für zwei Konzerte in das Brüsseler Forest National und anschließend nach Skandinavien fort. Für die kompletten Monate Juni und Juli standen dann Dates auf dem europäischen Festland an, darunter elf in Deutschland, einschließlich Zusatzkonzerte in Dortmund un Leipzig. Die verpflichteten Vorbands hatten es bei dieser Tour alles andere als leicht, mußten auch sehr häufig durch andere ersetzt werden, wenn sie das beleidigende, oft handgreifliche Publikum nicht mehr ertragen konnten und das Handtuch warfen. Man muß dazu anmerken, daß ihre Wahl weniger glücklich ausfiel, weil im Gegensatz zu vielleicht Front 242, Nitzer Ebb oder Stabbing Westward aus der Vergangenheit jede Parallele zur Hauptband fehlte. Die Mute-Labelkollegen Miranda Sex Garden waren eine davon. Ihre Violinistin Hepzibah Sessa, seit dieser Zeit mit Alan Wilder liiert, erinnert sich an die Auftritte in der Höhle des Löwen: “Die Mode-Fans sind ein ziemlich lautstartker Haufen, der gar nicht auf Vorgruppen steht. Ich wurde mit allem möglichen Zeug wie faulem Fleisch oder Rüben beworfen. Aber wir hatten trotzdem Spaß.” Als weitere Support-Acts konnten Spiritualized, Think About Mutation oder Marxman versuchen, die undurchdringliche Wand aus Pfiffen zu durchbrechen und mit faulem Fleisch oder Rüben waren Miranda Sex Garden noch vergleichsweise gut bedient.
Während des Konzertes in der Frankfurter Festhalle am 21. Juli geschieht gegen Ende von “In Your Room” Unfaßbares, was kein Fan aus den vorderen Reihen jemals vergessen wird: Dave Gahan bewegte sich grinsend an den Rand der Bühne und sprang kopfüber in die dampfende Meschenmenge. “Ich dachte, ich mache es wie damals, als ich mit sechzehn im Oswald Park von Basildon vom höchsten Sprungbrett in den Pool sprang”, erklärte er anschließend seine, wenn man den mißglückten Versuch in Indianapolis ein Jahr später ausklammert, einmalige Anwandlung. “Ich und mein Freund Jay sprangen immer vom Sprungturm. Wir brauchten uns nur genügend Mut zuzureden und dann sprangen wir vom obersten Brett. Ich dachte nur, jemand wird dich schon auffangen – sie könnten dich in der Luft zerreißen, aber sie werden dich schon wieder aufrichten. Es ist ein seltsames, beängstigendes Gefühl: Millionen H:ande an deinem Körper… sie zerren an dir, zu siehst ihre Gesichte: Die reißen dich in Stücke, sie wollen eben etwas. Jeder will etwas, nehme ich an. Dann plötzlich ist die Security da und rift: “Wir haben dich, Dave!”… Das gab mir den größten Kick, den ich je in meinem verdammten Leben hatte.” Um einen Teil seiner Kleidung erleichtert und um eine Rockstar-Erfahrung reicher wird er mit nacktem zerkratztem Oberkörper zurück auf die Bühne geschoben. Man sieht das Glück des Moments in den geweiteten Pupillen eines Mannes, der im nüchternen Zustand stets die Distanz zum Publikum gewahrt hatte. Hätte er es nur bei dieser Erfahrung belassen und wäre er nicht den kompletten Weg des Klischee-Rockers gegangen, diese Tour hätte für alle Beteiligten einen weitaus positiveren Ausgang haben können.
Doch das Bandgefüge lag bereits zu diesem Zeitpunkt wieder in Trümmern, eigentlich hatte sich an dieser Tatsache seit den Albumaufnahmen nie wirklich etwas geändert. Um den Bandkollegen und deren nächtlichen Exzessen möglichst weiträumig aus dem Weg zu gehen, mietete man nicht nur Hotelzimmer auf unterschiedlichen Etagen, sondern auch noch jeweils in den voneinander entferntesten Ecken des Gebäudes. Aus dem Berliner Intercontinental-Hotel wurde die Band gar rausgeworfen, nachdem pöbelnde Partygäste den Besuch der Polizei in Schutzsausrüstung provozierten. Bis auf Gore und Fletcher, die sich eine Limousine teilten, brachten drei unterschiedliche Chauffeure die Musiker vom Hotel zum Veranstaltungsort und wieder zurück. Während der freien Zeit traf man sich nicht mehr und kommunizierte lediglich auf der Bühne, das jedoch an jedem Abend perfekt. Kein einziges Mal mußten Termine verlegt oder abgesagt wereden, weil es einer der Musiker zu bunt am Vorabend trieb und deshalb nicht imstande war, diese wahrzunehmen. Egal wie, Gahan, um den es hier hauptsächlich geht, war stets zur Stelle wenn es sein mußte, und er lieferte abends genau die routinierte Performance, die man von ihm erwartete. Bei den Backstage-Parties ließen er und Alan Wilder sich hingegen nur selten blicken – ob Pflicht oder nicht ist schließlich Ansichtssache. Nach dem Konzert im Crystal Palace Fußballstadion von London mit The Sisters Of Mercy als Vorband ist mal alles anders und auch der ehemalige Pressesprecher Chris Carr wird zur Aftershow-Party eingeladen. Er erinnert sich: “Es gab um die Band herum viele abgesperrte Bereichte. Eine Riesenparty drauße, für die weder Kosten noch Mühen gespart wurden und mit entsprechend durchgeknallten Gästen. […] Sonderbar war, daß Fletch auf mich zukam und sagte, das ‘Arschloch’ wolle mich sehen. Ich fragte, von wem er sprach, und er antwortete: ‘Dave, er will mit dir reden. Er hat seinen eigenen Aufenthaltsraum im Garderobenbereich, er will dich sehen’.” Carr begab sich also in die nächsthöhere Sicherheitszone und fand den Sänger in seinem wie üblich rot tapezierten Raum, außer mit einer Stereoanlage ausgestattet nur noch dekoriert von Hunderten brennender Kerzen und Räucherstäbchen. Neben reichlich Partyvolk sollen Gahans Familie und sein Sohn Jack mit im Raum gewesen sein. “Dave kam auf mich zugerannt und umarmte mich stürmisch, seine Arme waren voller Schrammen, von denen er behauptete, sie wären von den Zuschauern”, fährt Carr fort. “Solange er aufrecht stehen konnte, war er hier der Mittelpunkt… Wie auch immer, er wollte mit mir angeblich über Nick Cave sprechen, der einen Entzug gemacht hatte und sich auf Kur begeben hat.” Jetzt realisierte der alte Bekannte, wie ernst der Zustand des Sängers inzwischen war. Einen tieferen Sinn verfolgte Dave Gahan mit diesem Gespräch allem Anschein nach nicht, denn er war zu diesem Zeitpunkt weiter von einer Therapie entfernt als jemals zuvor.
Während des Konzertes in der Frankfurter Festhalle am 21. Juli geschieht gegen Ende von “In Your Room” Unfaßbares, was kein Fan aus den vorderen Reihen jemals vergessen wird: Dave Gahan bewegte sich grinsend an den Rand der Bühne und sprang kopfüber in die dampfende Meschenmenge. “Ich dachte, ich mache es wie damals, als ich mit sechzehn im Oswald Park von Basildon vom höchsten Sprungbrett in den Pool sprang”, erklärte er anschließend seine, wenn man den mißglückten Versuch in Indianapolis ein Jahr später ausklammert, einmalige Anwandlung. “Ich und mein Freund Jay sprangen immer vom Sprungturm. Wir brauchten uns nur genügend Mut zuzureden und dann sprangen wir vom obersten Brett. Ich dachte nur, jemand wird dich schon auffangen – sie könnten dich in der Luft zerreißen, aber sie werden dich schon wieder aufrichten. Es ist ein seltsames, beängstigendes Gefühl: Millionen H:ande an deinem Körper… sie zerren an dir, zu siehst ihre Gesichte: Die reißen dich in Stücke, sie wollen eben etwas. Jeder will etwas, nehme ich an. Dann plötzlich ist die Security da und rift: “Wir haben dich, Dave!”… Das gab mir den größten Kick, den ich je in meinem verdammten Leben hatte.” Um einen Teil seiner Kleidung erleichtert und um eine Rockstar-Erfahrung reicher wird er mit nacktem zerkratztem Oberkörper zurück auf die Bühne geschoben. Man sieht das Glück des Moments in den geweiteten Pupillen eines Mannes, der im nüchternen Zustand stets die Distanz zum Publikum gewahrt hatte. Hätte er es nur bei dieser Erfahrung belassen und wäre er nicht den kompletten Weg des Klischee-Rockers gegangen, diese Tour hätte für alle Beteiligten einen weitaus positiveren Ausgang haben können.
Doch das Bandgefüge lag bereits zu diesem Zeitpunkt wieder in Trümmern, eigentlich hatte sich an dieser Tatsache seit den Albumaufnahmen nie wirklich etwas geändert. Um den Bandkollegen und deren nächtlichen Exzessen möglichst weiträumig aus dem Weg zu gehen, mietete man nicht nur Hotelzimmer auf unterschiedlichen Etagen, sondern auch noch jeweils in den voneinander entferntesten Ecken des Gebäudes. Aus dem Berliner Intercontinental-Hotel wurde die Band gar rausgeworfen, nachdem pöbelnde Partygäste den Besuch der Polizei in Schutzsausrüstung provozierten. Bis auf Gore und Fletcher, die sich eine Limousine teilten, brachten drei unterschiedliche Chauffeure die Musiker vom Hotel zum Veranstaltungsort und wieder zurück. Während der freien Zeit traf man sich nicht mehr und kommunizierte lediglich auf der Bühne, das jedoch an jedem Abend perfekt. Kein einziges Mal mußten Termine verlegt oder abgesagt wereden, weil es einer der Musiker zu bunt am Vorabend trieb und deshalb nicht imstande war, diese wahrzunehmen. Egal wie, Gahan, um den es hier hauptsächlich geht, war stets zur Stelle wenn es sein mußte, und er lieferte abends genau die routinierte Performance, die man von ihm erwartete. Bei den Backstage-Parties ließen er und Alan Wilder sich hingegen nur selten blicken – ob Pflicht oder nicht ist schließlich Ansichtssache. Nach dem Konzert im Crystal Palace Fußballstadion von London mit The Sisters Of Mercy als Vorband ist mal alles anders und auch der ehemalige Pressesprecher Chris Carr wird zur Aftershow-Party eingeladen. Er erinnert sich: “Es gab um die Band herum viele abgesperrte Bereichte. Eine Riesenparty drauße, für die weder Kosten noch Mühen gespart wurden und mit entsprechend durchgeknallten Gästen. […] Sonderbar war, daß Fletch auf mich zukam und sagte, das ‘Arschloch’ wolle mich sehen. Ich fragte, von wem er sprach, und er antwortete: ‘Dave, er will mit dir reden. Er hat seinen eigenen Aufenthaltsraum im Garderobenbereich, er will dich sehen’.” Carr begab sich also in die nächsthöhere Sicherheitszone und fand den Sänger in seinem wie üblich rot tapezierten Raum, außer mit einer Stereoanlage ausgestattet nur noch dekoriert von Hunderten brennender Kerzen und Räucherstäbchen. Neben reichlich Partyvolk sollen Gahans Familie und sein Sohn Jack mit im Raum gewesen sein. “Dave kam auf mich zugerannt und umarmte mich stürmisch, seine Arme waren voller Schrammen, von denen er behauptete, sie wären von den Zuschauern”, fährt Carr fort. “Solange er aufrecht stehen konnte, war er hier der Mittelpunkt… Wie auch immer, er wollte mit mir angeblich über Nick Cave sprechen, der einen Entzug gemacht hatte und sich auf Kur begeben hat.” Jetzt realisierte der alte Bekannte, wie ernst der Zustand des Sängers inzwischen war. Einen tieferen Sinn verfolgte Dave Gahan mit diesem Gespräch allem Anschein nach nicht, denn er war zu diesem Zeitpunkt weiter von einer Therapie entfernt als jemals zuvor.